AM17 – Brief an Walter Gropius
Toblach, Donnerstag, 11. August 1910
[Postskriptum:] Schreibe mir über diesen Brief. — Ehrlich – alles. —
Donnerstag
Mein .
Gestern Abend im Bett las ich Deinen Brief, in dem Du mir von unsrer Zukunft schreibst. , so schnell – wie Du glaubst – kann das nicht werden. – hat tagelang zu meinen Füßen gelegen und mich immer wieder mit Thränen gefragt – : Bleibst Du bei mir?! –
Endlich habe ich es ihm versprochen und er sagte, ich habe ihm damit das
Leben gerettet.
Alles – bis auf Weiteres! – Es handelt sich jetzt um Eines. Wird Deine Liebe stark genug sein, das Schwerste zu vollführen – nämlich aus zu harren. –
Mein Platz ist jetzt hier. Er ist ein kranker, herrlicher Mensch – den ich in seiner Noth nicht verlassen darf. . – Du bist 27 1/2 Jahre – jung – das Leben liegt vor Dir. Warte auf mich. Ich werde nie mehr einen andern Mann anschauen – wozu soll ich denn suchen – da ich doch ge-
funden habe. Ich liebe Dich unendlich. Dieses Herrliche kann nie mehr aus meinem Leben. – Ich bin um ein paar wenige Jahre älter – aber ich traue mir zu, Dir immer zu genügen. – Willst Du – so fühle Dich als meinen Verlobten, der aus irg.[end] einem äußeren Grunde seine Braut nicht heimführen kann. – Was wissen wir von der Zukunft – alles kann sich schneller erfüllen – als wir glauben[.] –
Nur Eines versprich mir: Wenn je Dein Herz sich wieder
einem Weibe zuwendet – lasse mich nicht im Unwissen. Schreib’ es mir sofort! – denn Ich werde alles immer verstehen. Eine solche Herrlichkeit u. Schönheit, wie Du es bist, muss viel begehrt werden und einmal – einmal werden Deine jungen Sinne sprechen. Aber, was wissen wir – eines nur können wir wissen – erhalten wir uns rein für einander – in jeder Beziehung! Arbeiten wir Beide an uns – kommen wir weiter – füllen wir unser Leben aus – lieben wir uns standhaft und treu[,] so kann uns nichts geschehen.
Deine —
Apparat
Überlieferung
, , , .
Quellenbeschreibung
2 Bl. (4 b. S.) – Briefpapier mit dunkelblauem Monogramm (Zum Material von Alma Mahler) aus den stilisierten Initialen AMs in Prägedruck (, ).
Beilagen
Umschlag, , – Neubabelsberg bei | Berlin | Stahnsdorferstraße 83 | Herrn Walter Gropius; PSt. (lt. , S. 531, Nr. 112): TOBLACH 2 | 11 | 8 | 1 N | 10 | c; von WG mit einer 6. versehen (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen).
Druck
, S. 109, Anm. 61 und , S. 41, Anm. 106 (jeweils Auszüge), , S. 106, bei Anm. 109 (Auszug), , S. 872f., bei Anm. 219 (ziemlich vollständig in teils fehler- und lückenhafter engl. Übersetzung), S. 874, bei Anm. 231 (partielle Wiederholung mit teils veränderter engl. Übersetzung).
Korrespondenzstellen
Beantwortet durch WG44 vom 12. August 1910 (ja ich bin jung, aber wenn ich die anderen Männer meines Alters um mich sehe fühle ich mich reifer und ich weiß, daß ich mehr erlebte als die meisten von ihnen. […] Für meine Jahre habe ich viel gesehn u erlebt): Ich bin um ein paar wenige Jahre älter.
Datierung
Schreib- und Absendedatum: „11.8.1910“ (, S. 109, Anm. 61 sowie , S. 41, Anm. 106 und S. 309), Übernahme dieser Datierung bei , S. 873, Anm. 219 und S. 874, Anm. 231, „[11.8.1910]“ (, S. 106, Anm. 109).
Datiert durch AM und Poststempel: Donnerstag, 11. August 1910.
Übertragung/Mitarbeit
(Sunjung Kim)
(Elke Steinhauser)
Brief – aus dem Entwurf WG39 vom 7. August 1910.
Leben gerettet – emotionale Abhängigkeit von belegen einige sehr verzweifelte Briefe, die er ihr im August stets vor dem morgendlichen Gang in sein Arbeitshäuschen schrieb, s. Nr. 322–329, S. 446–449. Bereits am 2. oder 3. August 1910, also kurz nach Beginn der Ehekrise, hatte geahnt, dass eine Trennung von ihrem für diesen schlimme Folgen gehabt hätte, s. AM11. Dieser Eindruck wird von AMo3 vom 18. August 1910 bestätigt: Alma kann Gustav vorläufig nicht verlassen, – er würde das nicht überleben.